Das Tribunal

Artikel vom Südkurier über das Tribunal:

Seit 1994 gibt es in Konstanz ein närrisches Tribunal. Mehr als 1000 Zuschauer verfolgen seither auf dem Obermarkt, wie ein in Stadt oder sogar Land bekannter Angeklagter abgeurteilt wird. Das ist eine Gaudi, hat aber auch historische Wurzeln. Nicht nur, weil der Obermarkt in Konstanz im Mittelalter tatsächlich der Richtplatz war. Hier gibt es noch weitere Fakten zum Tribunal und seinen Organisatoren.

Jakobinertribunal: Was steckt eigentlich hinter der Idee?

Die Jakobiner waren einer der radikalsten politischen Klubs bei der Französischen Revolution (1789-1794). Sie vertraten Positionen, die man heute als links einstufen würde, und forderten unter anderem die Abschaffung der Monarchie. Ihren Namen hatten sie von ihrem Versammlungsort, einem früheren Kloster in Paris. Jakob wurde für sie auch deshalb zur Leitfigur, weil der biblische Jakob nach der Überlieferung im Alten Testament seinem Bruder Esau die Macht abringen konnte. Das „Liberté, Egalité, Fraternité“ (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit) der Revolution haben die Jakobiner e.V. als Konstanzer Narrenvereinigung unter Anspielung auf eine bekannte Weinsorte in „Liberté, Fraternité, Boscholee“ ins Spöttische gekehrt.

Unter dem als Markenzeichen geschützten Namen „Jakobiner von 1970 – das Original aus Konstanz“ gibt es eine weitere Gruppe im Sinne dieser Tradition. Sie nimmt laut ihrer eigenen Internetseite am Butzenlauf, am Vorabend des Schmotzigen Dunschtig, teil, hat aber für den Schmotzigen Dunschtig selbst in der Stadt keine Termine geplant.

 
Wer von den Jakobinern angeklagt wird, hat kaum eine Chance
 

In den Verhandlungen gab es nur einen einzigen Freispruch – für den Fasnachter Helmut Faßnacht, dessen Abschied von der närrischen Bühne damit besonders gewürdigt wurde.

Seit 1994 waren angeklagt (jeweils in der damaligen Funktion):

  •  1994 Peter Lenk (Bildhauer, Schöpfer Imperia)
  • 1995 Robert Maus (Landrat)   
  • 1996 Horst Eickmeyer (Oberbürgermeister)
  • 1997 Horst Frank (Oberbürgermeister)
  • 1998 Sonja Bernadotte (Gräfin Insel Mainau)
  • 1999 Helmut Faßnacht (Fasnachter)
  • 2000 Hans Peter Repnik (Bundestagsabgeordneter CDU)
  • 2001 Emanuel Frey (Monsignore, ehem. Münster-Dekan)
  • 2002 Ulrich Müller (Verkehrsminister Baden-Württemberg)
  • 2003 Gaby Hauptmann (Schriftstellerin)
  • 2004 LAGO (vertreten durch Michael Epping und Peter Herrmann)
  • 2005 Volker Fouquet und Horst Maas (1. und 2. Bürgermeister)
  • 2006 Andreas Renner (Sozialminister Ba-Wü a.D. – 14 Tage vor dem Tribunal zurückgetreten)
  • 2007 Tobias Engelsing (Direktor Städtische Museen)
  • 2008 Christian Lorenz (Intendant Südwestdeutsche Philharmonie)
  • 2009 Robert Zollitsch (Erzbischof, Vorsitzender Deutsche Bischofskonferenz)
  • 2010 Bettina und Björn Bernadotte (Gräfin und Graf Insel Mainau)
  • 2011 Ulrich Goll (Justizminister Baden-Württemberg)
  • 2012 Gedenkjahr (für Ernst Mühlemann +2009 und Werner Schwarzwälder +2011)
  • 2013 Johannes Kumm (Leiter Hochbauamt bis 2012)
  • 2014 Rainer Wiesner (Geschäftsführer Südkurier)
  • 2015 Hans Fetscher (Oktoberfestwirt)
  • 2016 Katharina Müller (Geschäftsführerin Metzgerei Müller)
  • 2017 Claudius Marx (Hauptgeschäftsführer IHK)
  • 2018 Winfried Hermann (Verkehrsminister Baden-Württemberg)
  • 2019 Wolfgang Mettler (Ehrenjakobiner,  Chor- und Orchesterleiter)
  • 2020 Norbert Reuter (Geschäftsführer Stadtwerke Konstanz)
  • 2021 Covid 19 (Fieser Coronavirus)

Quelle: Südkurier Online – Jörg Peter Rau – 02/2018